Als feste Institution kann der Arbeitskreis „Frühe Hilfen“ im Landkreis Freyung-Grafenau inzwischen bezeichnet werden. Zweimal im Jahr wird das Treffen von der Koordinierenden Kinderschutzstelle (KoKi) im Landratsamt ausgerichtet. Eingeladen sind alle Stellen, die Angebote sowohl aus dem gesundheitlichen als auch aus dem sozialen Bereich für Familien mit Säuglingen oder Kleinkindern bereithalten, mit dem Ziel einer besseren Vernetzung und Bekanntmachung der verschiedenen Leistungen.
Das kürzlich stattgefundene Arbeitstreffen stand diesmal unter dem Thema „Unterstützungsbedarf und Lebenswirklichkeit für Eltern mit Behinderung und Eltern mit behinderten Kindern“. Nach einer kurzen Begrüßung stellten zunächst Margarethe Aigner und Claudia Maria Grimsmann vom Kreiscaritasverband Freyung-Grafenau die Ergänzende Unabhängige Teilhabe-Beratung (EUTB) vor. Dieses individuelle und barrierefreie Beratungsangebot gibt es seit Januar 2023 im Landkreis Freyung-Grafenau in Kooperation mit dem Kreiscaritasverband Regen. Bereits der Name verrät viel über den Auftrag der EUTB. So soll sie Angebote von anderen Stellen ergänzen und Menschen mit (drohender) Behinderung und deren Angehörige unabhängig von den Interessen einzelner Leistungsträger beraten. Auch Menschen mit chronischen Erkrankungen sowie Einrichtungen oder Behörden können das kostenlose Beratungsangebot in Anspruch nehmen. Dabei geht es häufig um die Themen Arbeit und Beruf, finanzielle Leistungen, Pflege und Hilfsmittel, Familie und Partnerschaft. Die EUTB steht für eine gelingende Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben, wobei der Beratungsfokus auf den individuellen Wünschen der Ratsuchenden liegt. „Eines der Hauptziele ist, die Selbstbestimmung von Menschen mit (drohender) Behinderung zu stärken“, so die beiden Referentinnen.
Nach einer kurzen Frage- und Austauschrunde präsentierte anschließend Daniela Springer von der Lebenshilfe Grafenau die Offene Behinderten-Arbeit (OBA). Dieses Hilfsangebot richtet sich an Menschen mit geistiger und/oder körperlicher Behinderung, chronisch Kranke, Menschen mit Sinnesschädigung, sowie deren Angehörige. Die OBA berät u. a. bei Fragen zum Thema Leistungen der Pflegeversicherung und unterstützt z. B. bei der Einstufung/Höherstufung in einen Pflegegrad oder in schwierigen Lebenssituationen. Neben Beratungsangeboten hält die Lebenshilfe Grafenau im Rahmen der OBA verschiedene regelmäßige Gruppenangebote, aber auch Einzelbetreuungen bereit. Die Gruppenangebote sind entweder altersbezogen (z. B. Teenie-Gruppe) oder auf bestimmte Themen bzw. Interessen (z. B. Kochgruppe) individuell zugeschnitten. Darüber hinaus gibt es auch Elterngruppen sowie eine Gruppe für Geschwister von Kindern mit Behinderung. Gerade, weil für diese sog. Geschwisterkinder in der Familie oftmals wenig Zeit bleibt, kann ein Austausch mit anderen Kindern bzw. Jugendlichen, die ähnliche Erfahrungen machen, sehr hilfreich sein. Abgerundet wird diese Angebotspalette noch durch die Möglichkeit einer Ferienbetreuung für Kinder und Jugendliche, die auch kulturelle Freizeitangebote beinhaltet, sowie eine Einzelbetreuung, die bei Bedarf in Anspruch genommen werden kann. Die Lebenshilfe hat hierfür viele speziell geschulte ehrenamtliche Helfer, die diese Betreuungsangebote ermöglichen. Und weil diese Angebote gut angenommen werden, freut man sich über jeden Neuling, der sich als Betreuungsperson zur Verfügung stellen möchte, damit noch mehr Menschen unterstützt werden können.
Dass solche Unterstützungsangebote für Betroffene enorm wichtig sind, verdeutlichte im Anschluss Tanja Weber aus einer Elterngruppe anhand ihrer Erfahrungen. Eindrucksvoll erzählte sie den teilnehmenden Fachkräften des Arbeitskreises aus der Lebenswelt ihrer Familie mit der inzwischen 20-jährigen mehrfachbehinderten Tochter, die rund um die Uhr auf Hilfe angewiesen ist. Als Baby waren die Einschränkungen noch nicht so sehr erkennbar. Im Laufe der Entwicklung aber wurde die Ausprägung der Behinderung immer deutlicher. Deshalb dauerte es eine gewisse Zeit, bis die Eltern die Diagnose annehmen und sich damit auseinandersetzen konnten. Mit der Zeit lernte Tanja Weber auch andere Eltern kennen, die ein ähnliches Schicksal hatten. Daraus wurde dann eine Elterngruppe gegründet. Diese Gruppe trifft sich noch immer regelmäßig, auch wenn die Kinder mittlerweile alle selbst im Erwachsenenalter sind. Tanja Weber berichtete, dass ihr der Erfahrungsaustausch sehr geholfen habe. Für die Familie gab es viele Hürden zu überwinden. Ein genanntes Beispiel zeigte sehr deutlich, dass barrierefrei nicht gleich barrierefrei bedeutet. In vielen öffentlichen Einrichtungen gibt es inzwischen behindertengerechte Toiletten, doch Wickelmöglichkeiten v. a. für Jugendliche und Erwachsene aber nicht. Daher musste Tanja Weber ihre Tochter manchmal auch auf dem Boden wickeln.
Auch Familie Weber nimmt die Angebote der OBA sehr gerne in Anspruch. So bietet sich z. B. für die Familie die Möglichkeit, in den Urlaub zu fahren, während ihre Tochter in guten Händen ist. Dabei findet sich dann auch mehr Zeit, sich um die gesunde jüngere Schwester zu kümmern, die oft auf ihre Eltern „verzichten“ musste. Auch sie hat die bereits erwähnte Geschwisterkindergruppe besucht und Kontakte zwischen den Jugendlichen blieben über die Gruppentreffen hinaus bestehen. „Ein behindertes Kind ruiniert nicht dein Leben, es ändert nur deine Pläne!“, brachte Tanja Weber ihre Ausführungen abschließend auf den Punkt.
Aus den informativen Redebeiträgen entstand zum Schluss noch ein reger Austausch. Dadurch wurde deutlich, dass dieses Thema für viele Stellen im Landkreis von großer Relevanz ist. Die ausrichtenden Fachkräfte der KoKi, Manuela Schwarz und Magdalena Ragaller, freuten sich, dass sie dem Ziel einer besseren Vernetzung und Bekanntmachung der verschiedenen Leistungsangebote im Landkreis mit dem aktuellen Arbeitstreffen wieder ein Stück nähergekommen sind.