Zunächst grundsätzlich: Die Möglichkeit der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit gibt es seit Jahren. Der rechtliche Rahmen liegt also bereits lange vor. Asylbewerber können demnach dazu verpflichtet werden, stundenweise für staatliche, kommunale und gemeinnützige Träger zu arbeiten, immer unter der Bedingung, dass das Arbeitsergebnis der Allgemeinheit dient. Als Gegenleistung erhalten sie eine Aufwandsentschädigung von 80 Cent je Stunde.
Wenn Asylbewerber eine solche angebotene Arbeitsmöglichkeit ablehnen, können ihnen Leistungen gekürzt werden. Was neu ist, ist der Abbau einiger bürokratischer Hürden in der praktischen Umsetzung.
Sowohl der rechtliche Rahmen als auch die Möglichkeit der praktischen Umsetzung sind prinzipiell zu begrüßen. Aber: Auch weiterhin erfordert die Anleitung der Arbeitskräfte – schon allein wegen der oft bestehenden Sprachbarriere – sowie die Bereitstellung entsprechender Arbeitsmöglichkeiten einen erheblichen administrativen und logistischen Aufwand. Auch gibt es eine ganze Reihe von Ausnahmen und Voraussetzungen, die die grundsätzliche Möglichkeit einer solchen Verpflichtung wieder deutlich einschränken.
Auch bei uns im Landkreis Freyung-Grafenau gibt und gab es die praktische Umsetzung der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit, beispielsweise in der Form, dass Bewohner in der Gemeinschaftsunterkunft mitgearbeitet oder Aufräum- und Säuberungsarbeiten unter Anleitung des gemeindlichen Bauhofs durchgeführt haben.
Aufgrund des erwähnten erheblichen Aufwands, einer möglichen Sprachbarriere und der Beschränkungen war das aber nie eine Lösung für den Großteil der Flüchtlinge.
Das klingt auf dem Papier und in der Theorie also recht gut, in der Praxis tun sich dann aber doch wieder viele Hürden auf.
Es bleibt also abzuwarten, welche Auswirkungen die Neuerungen wirklich haben.
Es ist absolut zu begrüßen, wenn Asylbewerber, die in Deutschland ein hohes Maß an Solidarität erleben, auf der einen Seite umfangreiche Sozial- und Gesundheitsleistungen erhalten, auf der anderen Seite wieder etwas zurückgeben und somit einen Beitrag für ein solidarisches Zusammenleben leisten. Arbeit an sich hat darüber hinaus einen bedeutenden und umfangreichen Wert. Sie schafft Tagesstruktur und erfüllt das eigene Leben. Zudem wird durch das Miteinander mit den Arbeitskollegen die Integration befördert.
Kurzum: Die Einbeziehung in das Arbeitsleben ist maßgeblich, damit Integration, die prinzipiell wünschenswert ist, überhaupt gelingen kann.
Dennoch sehe ich in der aktuellen Diskussion über die Arbeitspflicht für Flüchtlinge eine Stellvertreter-Diskussion. Zudem ist das Thema eine weitere Aufgabe, die vor Ort erledigt und von den Kommunen getragen werden muss - bei ohnehin schon sehr hoher Beanspruchung.
Die Hauptlast beim Thema Migration, wie auch hier, muss also wieder einmal von uns Kommunen geschultert werden!
Dazu muss klar gesagt werden: Wir hätten verschiedene Aufgaben gar nicht - insbesondere auch nicht die Arbeitspflicht - wenn die Bundesregierung das umsetzen würde, was sie versprochen hat, u.a. den Zugang deutlich zu reduzieren und rechtlich bestehende Ausreiseverpflichtungen wirksam durchzusetzen, notfalls auch durch Abschiebung.
Statt uns auf die Integration von Asylbewerbern mit oft geringer Bleibeperspektive in den Arbeitsmarkt zu konzentrieren, sollten wir uns mit den Ursachen der Migration und den Herausforderungen bei der Rückführung abgelehnter Asylbewerber befassen.
Dies erfordert Lösungen auf europäischer und internationaler Ebene, an denen die Bundesregierung mit Nachdruck arbeiten sollte.
Für mich stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, Personen, die möglicherweise nicht lange in Deutschland bleiben werden, zur Arbeit zu verpflichten. Schaffen wir damit nicht neue Pull-Faktoren?
Solange abgelehnte Asylbewerber damit rechnen können, trotz abgelehnten Asylantrags in Deutschland bleiben und hier auch arbeiten zu dürfen, werden wir es nicht schaffen, die Attraktivität Deutschlands als Fluchtzielland zu reduzieren.
Sebastian Gruber
Landrat des Landkreises Freyung-Grafenau
Sebastian Gruber (42) ist seit 2014 Landrat des Landkreises Freyung-Grafenau.
Seit 2020 ist Gruber Vorsitzender des Bezirksverbandes Niederbayern im Bayerischen Landkreistag. Im Mai 2023 wurde Sebastian Gruber zudem zum Dritten Vizepräsidenten des Bayerischen Landkreistags gewählt. Der Bayerische Landkreistag ist der Spitzenverband der 71 bayerischen Landkreise und hat das wesentliche Ziel, die kommunale Selbstverwaltung auf der Kreisebene zu sichern und zu stärken.