Sebastian Gruber, Landrat des Landkreises Freyung-Grafenau, hat sich in einem eindringlichen Schreiben an Nancy Faeser, Bundesministerin des Innern und für Heimat, gewandt. Die Bundesministerin ist u.a. für Migration und Flüchtlinge als auch für die Angelegenheiten der Bundespolizei und somit für den grenzpolizeilichen Schutz des gesamten Bundesgebiets zuständig. Landrat Sebastian Gruber, der auch Bezirksvorsitzender des Bayerischen Landkreistages Bezirksverband Niederbayern ist, schildert in dem Brief die Flüchtlingssituation im Grenzgebiet Freyung-Grafenau und die Konsequenzen der illegalen Migration für Bayern und das gesamte Bundesgebiet.
„Der Landkreis Freyung-Grafenau kommt bis heute seiner Verantwortung zur Aufnahme und Unterbringung von Menschen mit Fluchthintergrund nach“, konstatiert Landrat Sebastian Gruber. Aktuell sind ca. 1.800 Personen unterschiedlicher Herkunft im Landkreis Freyung-Grafenau untergebracht. „Die Unterbringung alleine fordert uns täglich, die Kapazitäten sind schon lange knapp, die Lage ist deshalb extrem angespannt“, so Gruber und versichert: „Alle arbeiten auf Anschlag, die Belastung ist seit Jahren extrem hoch.“ Themen wie soziale Betreuung, die Integration, die Folgen für die Gesellschaft, notwendige Plätze in der Kinderbetreuung und in Schulen, ehrenamtliche Flüchtlingsbetreuung und die gesamte Koordination seien neben dem sprichwörtlichen „Dach über dem Kopf“ von besonderer Bedeutung. Doch in all den genannten Bereichen ist die Situation trotz hoch qualifizierter Aufstellung sehr angespannt. „Ja, der Bund überfordert die Kommunen und die Bevölkerung“, weiß Gruber. Seine Kritik: „Leider gibt es auf Bundesebene keine offene und umfangreiche politische Debatte zu Asyl, zu Erwerbsmigration, zu illegaler Zuwanderung. Stattdessen haben wir aktuell einen ungezügelten Zufluss - allen voran von illegaler Migration - nach Europa. Der Migrationsdruck ist daher immens, Tendenz steigend. Die Lage vor Ort, gerade in Freyung-Grafenau, ist dramatisch.“
Verschiedene Zahlen untermauern das. Die Bundespolizeiinspektion Passau hat entlang der niederbayerisch-österreichischen Grenze von Simbach am Inn (Landkreis Rottal-Inn) bis zum Dreiländereck Deutschland – Tschechische Republik – Österreich zwischen Donnerstag, 07.09.2023, und Sonntag, 10.09.2023, - also innerhalb von nur vier Tagen - insgesamt 359 Migranten und 28 Schleusungen festgestellt. Alleine im Landkreis Freyung-Grafenau wurden in der ersten Septemberwoche rund 150 Migranten aufgegriffen, zum großen Teil aus Syrien, Afghanistan und der Türkei. „Es vergeht aktuell kein Tag, ohne dass es Aufgriffe gibt“, so Landrat Sebastian Gruber. Hinzu komme eine Dunkelziffer. Aus Gesprächen mit Geflüchteten sei zu vernehmen, dass sich aktuell viele Türken - im Besonderen Kurden - auf den Weg nach Deutschland machen. „Diese steuern, das als wichtige Hintergrundinformation, Regionen in ganz Deutschland an, in denen bereits Verwandte und Bekannte leben, z.B. Dortmund, Gelsenkirchen, Frankfurt usw. Gleiches gilt auch für Afghanen, Syrer und andere Nationalitäten“, schreibt Sebastian Gruber an die Bundesministerin. Auch wenn die Situation aktuell zunächst ein Problem der Grenzregionen sei: „Aufgrund der Kausalkette wird es aber ein ebenso großes, wenn nicht noch größeres Problem der Metropolen im gesamten Bundesgebiet.“
Dennoch gibt es viel Anerkennung für die Bundes- und Landespolizei. „Ich bedanke mich ausdrücklich bei den örtlich Verantwortlichen, die bis an die Grenzen der Belastbarkeit zuverlässig ihren Dienst verrichten. Aktuell wird mit Sicherheit ein Großteil der Kapazitäten ausschließlich für dieses Thema gebündelt“, lobt Sebastian Gruber. Und fordert von Bundesministerin Nancy Faeser: „Insofern ist es dringend notwendig, dass gerade Sie in Ihrem Zuständigkeitsbereich die Bundespolizei vor Ort kurzfristig mit zusätzlichen Kräften unterstützen. In jedem Fall ist umgehend ein noch dichteres Kontrollnetz notwendig, ansonsten verschärft sich die Situation weiter. Sie leiten das dafür zuständige Ministerium, Sie müssen das Heft des Handelns in die Hand nehmen!“
Trotz aller Herausforderungen betont Landrat Gruber, „dass ich im Kontext dieses Briefes und Anliegens nicht von Menschen spreche, die vor Krieg und Verfolgung fliehen. Diese brauchen und müssen auch weiterhin Hilfe in Europa, in Deutschland und vor Ort bekommen“. Gruber verspricht: „Schutzbedürftige werden in unserem Landkreis immer willkommen sein.“ Gerade Fragen der illegalen Migration würden vor Ort mitunter am drängendsten und am intensivsten geführt und seien schlussendlich eine Belastungsprobe für die gesamte Gesellschaft, so Gruber. Vom authentischen Lagebild in Freyung-Grafenau kann sich die Bundesministerin nun ein eigenes Bild machen. „Sehr geehrte Frau Bundesministerin, ich lade Sie sehr herzlich ein“, schreibt Landrat Sebastian Gruber. Ein solcher Termin sei sinnvoll, um mit Verantwortlichen verschiedener Behörden zu sprechen, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten und einen umfassenden Eindruck in einer markanten Grenzregion zu bekommen. „Als Landrat trage ich Verantwortung für besondere Menschen, die es verdient haben, dass Sie als zuständige Ministerin in Berlin die Probleme ernst nehmen und, gemeinsam mit allen Beteiligten, an konkreten Lösungen arbeiten“, fordert Sebastian Gruber.
Das Schreiben an die Bundesministerin ging in Abdruck auch an den Bayerischen Staatsminister des Innern, für Sport und Integration, Herrn Joachim Hermann, sowie an die Bundestagesabgeordneten Thomas Erndl, Rita Hagl-Kehl und Muhanad Al-Halak.