Der Grenzraum wurde bei den weiteren Schritten vollkommen außer Acht gelassen. Der vorgegebene Rahmen des Bundes und die Konkretisierungen des Freistaats bedeuten für die Grenz-Landkreise: Wir verharren im status quo und wir befinden uns in einem „Dauer-Lockdown“. Durch Öffnungen in Abhängigkeit der Inzidenz gibt es nun eine Eingruppierung in gute und in schlechte Regionen. Das ist eine Katastrophe für die Grenz-Landkreise!
Wir haben im Grenzraum eine Sonder-Situation, die Sonder-Maßnahmen erfordert. Wir brauchen ein „Sonderprogramm Grenzlandkreise“. Darauf haben wir in den vergangenen Wochen mehrmals aufmerksam gemacht. Die Grenz-Landräte haben dazu mehrere Punkte vorgeschlagen unter der Überschrift „Sicherheit und Perspektive für Ostbayern“. Wir wurden zwar freundlich gehört, aber - mit Ausnahme von 1.000 zusätzlichen Impfdosen - ist davon bis dato nichts berücksichtigt worden.
Es geht nicht um blindes Öffnen. Es geht nicht darum, bei hoher Inzidenz zu den gleichen Rahmenbedingungen zu öffnen, wie andere Regionen, das ist vollkommen klar. Um hohe Inzidenzen zu kompensieren, braucht es eine Sonder-Strategie für die Grenzregion bei der Immunisierung, bei den Testkonzepten, bei den Zugangsmöglichkeiten zum Einzelhandel, zur Gastronomie, bei den Grenzpendlern usw.
Testen muss generell und viel mehr ein Anreiz sein, um bestimmte Dinge wieder zu ermöglichen - in der Schule, im Einzelhandel, in der Gastronomie uvm.
Die jetzige Öffnungs-Matrix beinhaltet weder die Berücksichtigung der Grenzregionen noch faire Rahmenbedingungen.
Nur zwei Beispiele, welche Folgen die jetzige Situation haben wird:
1. Schule und Kinderbetreuung: Die Vergleichbarkeit von Bildungschancen und Abschlüssen ist nicht mehr gewährleistet. Neben den Abschlüssen wird die psychische Belastung für die gesamte Schulfamilie von Woche zu Woche größer.
2. Einzelhandel/Gastronomie: Die Menschen werden nach wochenlangen Entbehrungen, noch dazu bei frühlingshaften Temperaturen, konsumfreudig sein und einkaufen wollen, ja teilweise müssen. Es ergibt sich also ein „Einkaufstourismus“, konzentriert in bestimmten Regionen, Schlangen vor Geschäften, erhöhte Frequenz im öffentlichen Raum usw. Die Menschen werden ihre Einkaufsbedürfnisse im geöffneten Einzelhandel, somit aber nicht im Heimat-Landkreis erledigen (können). Die Einzelhändler haben volle Lager und bleiben auf den Waren sitzen, mit vielen weiteren Folgen. Kaufkraft geht verloren.
Mir ist durchaus bewusst, dass es einfacher ist: Die einen auf, die anderen zu. Mir geht es auch nicht um kurzfristige, schnelle und unüberlegte Öffnungen. Mir geht es in erster Linie darum, dass Aufenthaltsqualität, Leben und Nahversorgung in unseren Städten, Märkten und Gemeinden nicht verschwindet. Unsere kleinen, aber feinen Ortskerne zeichnet in der Regel ein Mix aus Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistung und gesellschaftlichem sowie kulturellem Leben aus. Mitunter durch erheblicher Unterstützung des Freistaats Bayern ist es den Kommunen in den letzten Jahren gelungen, diese Qualität und diesen Standard zu schaffen.
Eine Wiederbelebung von Innenstädten und Ortskernen ist generell eine Mammutaufgabe, im ländlichen Raum aber noch schwieriger als in größeren Städten.
Die Pandemie an sich ist eine Bewährungsprobe für die gesamte Gesellschaft. Sie stellt aber auch und gerade die grenzüberschreitende Zusammenarbeit vor eine Zerreißprobe. Mit dem jetzigen Vorgehen befindet sich die Grenzregion leider dort, wo sie schon einmal war: Mit dem Rücken zur Wand.